Glambecker See
2009 · MDF, Karton, Bleistift· variable Maße







Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in Neustrelitz ein Stützpunkt der Roten Armee errichtet. Zeitweilig waren bis zu 25.000 Soldaten, Offiziere und deren Familien hier stationiert – genauso viele Einwohner hatte die Stadt selbst. Das Armeegelände nahm rund ein Zehntel des Stadtgebietes ein, etwa 1400 Hektar. Auf 20 „militärische Objekte“ verteilt lebten die Offiziersfamilien sehr zurückgezogen. Einfache Soldaten durften diese Kasernen nur im Ausnahmefall verlassen. Beziehungen zu Einheimischen gab es bis 1989 selten, russische und deutsche Kinder begegneten sich so gut wie nie.

Einer dieser Standorte war die Siedlung am Nordufer des Glambecker Sees in der Adolf-Friedrich- und der Emil-Kraepelin-Straße. Diese Gebäude hat die Sowjetarmee 1945 eingenommen. Zuerst wurde ein Bretterzaun um das gesamte Gebiet gebaut. 1970 ersetzte man den Zaun durch eine weiße und ungefähr 2,5 m hohe Mauer.

Meine Eltern zogen 1983 nach Neustrelitz. Zu diesem Zeitpunkt war ich ein Jahr alt, mein Bruder vier. Wir wohnten direkt am Glambecker See in der Rudi-Arndt-Straße 6*. Aus dem Wohnzimmerfenster konnten wir nicht nur auf den See blicken, sondern auch auf die Mauer. Sie verlief auf der anderen Straßenseite neben dem Gehweg und knickte ungefähr auf Höhe unseres Wohnhauses zum See hin ab, wo sie bis ans Wasser heranreichte. Auf der gegenüberliegenden Seite des Sees, bei der Badeanstalt, berührte das andere Ende der Mauer ebenfalls das Ufer. So war das gesamte Nordufer des Glambecker Sees abgetrennt. Es war verboten, das Gebiet zu betreten. Durch ein paar Löcher in der Mauer versuchten wir herauszufinden, was sich dahinter verbarg, und man sah auf der anderen Seite des Sees ein paar von Sträuchern und Bäumen umwachsene Häuser. Trotzdem wusste ich bis zum Abzug der Sowjetarmee 1993 nicht, was sich wirklich alles hinter dieser Mauer befand.

*Heute heißt die Straße wieder Hohenzieritzer Straße, wie vor dem Krieg.


60-40-20 · Seefahrtschule Altona · Hamburg · November 2009